Archive for August 2010

Kirsten Heisig und Sarrazin

31. August 2010

Die Berliner Jugendrichterin Kirsten Heisig sah ein schweres ungelöstes Problem unserer Gesellschaft und zeigte einen Weg auf, der zur Lösung führen könnte, der aber schwer begehbar ist.
Thilo Sarrazin weist auf ein Problem hin, spitzt es zu und erweckt den Eindruck, es sei nur eine Frage des guten Willens, es anzupacken.
Die Reaktion der Öffentlichkeit: in beiden Fällen wird weniger über das Problem geredet als über die Person.

Richtig: Im Vergleich zu Kirsten Heisig macht Sarrazin es sich sehr leicht. Noch leichter aber macht es sich die veröffentlichte Meinung, wenn sie so tut, als würde das Problem der Integration von Jugendlichen, die einen schwereren Weg in die Gesellschaft haben als andere schon erfolgreich genug angegangen.
Gegenwärtig wird es ja selbst Leistungswilligen und Leistungsfähigen schwer gemacht, ihren Beitrag für das Gemeinwohl zu leisten.
Es ist Zeit für ein „Ende der Geduld“ und kräftige Schritte in Richtung einer solidarischen Gesellschaft, wie sie – nicht nur von attac – seit vielen Jahren aufgezeigt werden.
Nachsatz:
Sarrazins Buch hat einen Artikel in der Wikipedia, Heisigs Buch noch nicht; über Heisig erschien ein Jahr vor ihrem Tod ein Artikel mit dem Titel: Warum Kirstin Heisig sich nicht frustrieren lässt.
Schön wär’s gewesen.
Dazu auch E. Misig und A. Nahles

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Protest gegen Stuttgart 21

28. August 2010

Das Projekt passt nicht in die Zeit.
Jahrzehntelang hat man die Untertunnelung Stuttgarts geplant. Ein Milliardenprojekt. Seitdem stürzte das Kölner Stadtarchiv aufgrund des U-Bahnbaus ein. Die Immobilienkrise in den USA brachte das Weltfinanzsystem ins Wanken. Energische Reaktionen der Regierungen der führenden Wirtschaftsnationen erhielten es und sorgten für neue Staatschulden von vielen hundert Milliarden.
Als der Protest immer massiver wird, beginnt man vorzeitig den Stuttgarter Bahnhof einzureißen. Daraufhin gehen 30 000 bis 40 000 auf die Straße.
Wie es weiter geht, bleibt unklar. Deutlich ist nur, dass wie beim Plan, den Atomausstieg zu beenden, viele nicht mitspielen und die Bevölkerung in einem Maße politisiert wird, wie es mit vernünftiger Politik kaum gelingt.
Widerstand ist wieder in.

Nachtrag vom 8.9.:

Nach einem Gutachten des Münchner Ingenieurbüros Vieregg & Rößler werden die Kosten für Stuttgart 21 eher 10 als 5 Milliarden ausmachen. Von Seiten der Bahn wird die Rechnung als nicht nachvollziehbar bezeichnet.

Unsere Demokratie ist in Gefahr

23. August 2010

Zur Anzeigenkampagne der Stromkonzerne

Als die vier großen Stromkonzerne die Regierung mit der „Drohung“ zu erpressen versuchten, die Atomkraftwerke abzuschalten, war das als Posse zu werten Denn die Abschaltung der Kernkraftwerke wird ja von der Mehrheit der Bürger gewünscht, und man weiß, dass die Konzerne bei einer Verlängerung der Laufzeiten reichlich Geld verdienen.
Wenn sie jetzt aber, nachdem sie ein paar große Namen für ihre Forderungen mobilisiert haben, der Regierung einen Vertrag vorschreiben wollen, besteht eine echte Gefahr. Denn so handelt nur jemand, der einen Umsturz herbeiführen will oder der die Macht schon in seinen Händen sieht und nur noch die offizielle Bestätigung dafür sucht.
Umstürzler sind die Manager der mit Milliardengeschenken verwöhnten Monopolkonzerne sicher nicht. So bleibt nur noch die Folgerung, dass sie jetzt die öffentliche Unterwerfung der demokratisch gewählten Regierung unter die Privatinteressen der Energiekonzerne anstreben.
Das ist nicht so chancenlos, wie es nach den abwiegelnden Äußerungen Angela Merkels aussehen mag. Denn in der Finanzkrise hat die Regierung angesichts des Zeitdrucks genau das getan: Sie kaufte die Banken aus dem Schuldensumpf heraus, in den die mutwillig hinein gestiegen waren, und lässt sie jetzt wieder Millionenboni auszahlen, fast als hätten sie nicht die Verantwortung dafür, dass die Weltwirtschaft in eine schwere Krise geriet.

Für uns tut der Staat alles, ob wir es verdient haben oder nicht. Das war die Lektion, die die Manager damals gelernt haben, und darauf verlassen sie sich auch jetzt.
Doch damit müssen sie sich verrechnet haben. Wenn die Bundeskanzlerin aus taktischen Gründen abtaucht, weil sie sich auf ihre Koalitionspartner nicht verlassen kann, dann muss ein anderer sprechen. Wenn es der Bundespräsident nicht tut, dem es wohl anstünde, dann müssen wir Bürger es tun. Unsere Demokratie ist in Gefahr.
Nachtrag vom 26.8.:
Utopia befragt jetzt die Vorstandsvorsitzenden aller DAX-Unternehmen zu ihrer Stellungnahme zu dem Aufruf.
Am 18.9. findet in Berlin eine Großdemonstration gegen den Aufruf der Bosse und für die Abschaltung der Atomkraftwerke statt.

Griechische Krise Folge der deutschen Fehlsteuerung

18. August 2010

Griechenland spart sich auf Auftrag in die Wirtschaftskrise, um den Euro zu retten.
Deutschland bekämpft seine Arbeitslosigkeit durch Beseitigung des außenwirtschaftlichen Gleichgewichts und Festlegung auf Exportüberschuss.
Es braucht aber eine einheitliche Wirtschaftspolitik, wenn der Euro zu retten sein soll.

Sachkunde ist gefragt, nicht Erpressung

17. August 2010

Angesichts der vielfältigen Detailregelungen auf den verschiedensten Gebieten, die heute vom Gesetzgeber verlangt sind, ist es ein Glück, dass er sich beraten lässt. Denn nicht nur Regierungsmitglieder, sondern auch Abgeordnete, sollten eher Experten für politische Entscheidungen als für Motoren oder Abwasserreinigung sein.
Im lokalen Bereich freut man sich über die Tendenz zu mehr Bürgerbeteiligung und als Lehrer, wenn bei Entscheidungen über Unterricht auch Leute gehört werden, die selbst unterrichten.
Aber es kann nicht gut gehen, wenn Regierungen sich ihre Entscheidungen von Vertretern von Einzelinteressen aufzwingen lassen.

Natürlich sollen bei der Entscheidung über eine Brennelementesteuer auch die Experten der betroffenen Firmen angehört werden. Das heißt aber nicht, dass sich der Gesetzgeber in Verhandlungen mit einzelnen Firmen begeben darf, um auszuhandeln, was er ins Gesetz schreiben darf, wie es jetzt zwischen Regierung und Stromkonzernen geschieht. Da gebe ich Markus Sievers Recht.

Wirklichkeit und Wahrheit

13. August 2010

„Sag etwas, was sich von selbst versteht, zum ersten Mal, und du bist unsterblich“, sagt Marie von Ebner-Eschenbach.
Meiner Meinung nach hat Kant so etwas Selbstverständliches ausgesprochen, als er darauf verwies, dass wir Menschen nichts anderes erkennen können, als unsere Erkenntnisfähigkeit es erlaubt.
Mit den Anschauungsformen Raum und Zeit und mit der Kausalität glaubte er, Teile unserer Erkenntnisfähigkeit aufgedeckt zu haben. Die Relativitätstheorie Einsteins machte mit ihrer Einführung der Raumzeit mit der Auschaulichkeit Schluss. (Auch wenn wir beide weiterhin getrennt wahrnehmen.) Die Quantenmechanik beendete die Vorstellung einer allgemein geltenden Kausalität. (Trotz Einsteins energischem Widerspruch: „Gott würfelt nicht!“)
Alle Versuche, über Kant hinauszukommen, haben zwar die Beschränktheit seines philosophischen Konzepts erweisen können, nicht aber die Richtigkeit seiner „banalen“ These. Ob Konstruktivismus, Sprachphilosophie oder allgemeiner Relativismus: alle stellen nur einen Versuch dar, zu beschreiben, worin unsere Erkenntnisfähigkeit bestehe, nicht aber eine Widerlegung seiner Entdeckung.
Wenn er damit etwas Grundlegendes erkannt hat, dann bezieht sich alle unsere Erkenntnis nur auf das von Menschen Erkennbare. (Er nennt es „Ding für uns“).
Nun kann man sich mit dieser Erkenntnis zufrieden geben und das Nichterkennbare außen vor lassen und auf die Bezeichnung als „Ding an sich“ verzichten. Merkwürdig ist freilich die Erfahrung, dass immer mehr erkennbar wird, als man ursprünglich für möglich hielt. So ist mit Freud und Hirnforschung jetzt auch das Ich in seinem Kontext – nicht in dem, wodurch es bestimmt wird, denn Kausalität ist keine allgemeingültige Kategorie mehr – sehr viel vielgestaltiger geworden, als es noch im „Ich denke“ von Descartes und im „Das Ich setzt sich selbst“ von Fichte erschien.
Insofern hat es wohl Sinn, dass wir uns das Vorläufige jeder menschlichen Erkenntnis vor Augen halten (denn menschliche Erkenntnisfähigkeit treibt die Erkenntnis ja ständig voran). Ob man dafür den wenig modischen Ausdruck „Ding an sich“ verwendet oder nicht, hat wenig Bedeutung.
Interessant ist aber doch, was diese Vorstellung, dass menschliche Wirklichkeit immer nur eine vorläufige und (seit dem Siegeszug der modernen Naturwissenschaften) eine in ungezählte Wissenschaftswirklichkeiten auseinanderfallende ist, für den Begriff der Wahrheit bewirkt.
Wenn Wirklichkeit das ist, was Menschen aus dem Nicht-Ich mit ihrer Erkenntnisfähigkeit machen, dann ist Wahrheit im Unterschied zur Wirklichkeit nicht Nicht-Ich, sondern eine Konstruktion des Ichs. Mit Schillers Worten:

„die Wahrheit ist nichts, was so wie die Wirklichkeit oder das sinnliche Dasein der Dinge von außen empfangen werden kann; sie ist etwas, das die Denkkraft selbsttätig und in ihrer Freiheit hervorbringt.“

Damit diese Wahrheiten nicht dazu führen, dass man sich gegenseitig totschlägt, empfiehlt es sich freilich, sich auf inter-subjektive Wahrheiten zu verständigen.
Von den Menschenrechten bis zur Stammzellenforschung ist das freilich nicht etwas, was der Menschheit leicht fiele. Umso mehr Dank gebührt denen, die dazu beitragen, dass es zu Annäherungen kommt.

Notizen zu Gehältern, Steinigung …

12. August 2010

Im Verhältnis zu Managern im Bereich der Wirtschaft werden Politiker m. E. grundsätzlich zu schlecht bezahlt. Allerdings halte ich es für angemessen, die Manager- eher den Politikergehältern anzupassen als umgekehrt.

Eindeutig unterbezahlt ist m.E. der britische Premier Cameron mit etwa 65.000 Euro jährlich. Zwar ist das in seinem Fall sicher nicht sein einziger fianzieller Rückhalt. Dennoch kann ich mir kaum vorstellen, dass Spitzenbeamte weniger verdienen.
Der indische Premier Manmohan Singh verdient laut „Economist“ rund 38.000 Euro pro Jahr. Bzgl. der Kaufkraft mag das mehr sein als die 65.000 von Cameron, vor allem ist es gewiss im Verhältnis zum Durchschnittsverdienst der Bevölkerung oder gar zum untersten Quintil erheblich mehr. Dennoch ist es im Vergleich zu den 1,7 Mill. Euro des Premierministers Lee Hsien Loong von Singapur gewiss bescheiden.
(dazu vgl. Spiegel online Politikergehälter)

Im Iran drohte die Steinigung von Sakineh Mohammadi Ashtiani.
Ein iranischer Offizieller erklärte, die Strafe sei nicht unmenschlich, weil die Verurteilten die Chance hätten, sich zu befreien. Die Verurteilten würden nämlich zwar eingegraben (Männer bis zur Hüfte, Frauen bis zur Brust), dürften aber versuchen, sich zu befreien, sobald die Steinigung angefangen hat.
Die Kampagnenorganisation avaaz sammelt gegenwärtig Stimmen zum Protest gegen Steinigungen.

Zur Absicherung von wordpress

8. August 2010

Gute Tipps gibt es in c’t und von dort übernommen in Spiegel online.