Fortsetzung des Aufrufs zu einer Blogparade, die ich wegen Pingback hierher verlegt habe)
In meiner Referendarzeit hatten wir einen Fachleiter, der seine Stunden so hielt: Er trat in die Klasse, fragte „Wo waren wir das letzte Mal?“ und von da an sprachen nur noch die Schüler. Jedenfalls war das in seinen Vorführstunden für Referendare so. Dieser Idealform des Mottos unserer Ausbilder „Mehr strukturieren, weniger eingreifen!“ entsprach mein Unterricht nur im absoluten Ausnahmefall.
Im Normalfall machte die Strukturierung immer wieder ein Eingreifen erforderlich. Ohne moderierendes Eingreifen verflachte das Gespräch. Heutige Talkshows erinnern mich immer wieder an den Alptraum solcher Stunden. Die Lösung des Problems schien Gruppenarbeit zu sein. Durch Materialvorgabe und klare Aufgabenstellung sollte die Strukturierung sichergestellt sein, das Eingreifen überflüssig. Das klappte mehr oder minder gut. Die Schwachstelle kam freilich bei dem Bericht der arbeitsteiligen Gruppen über ihre Ergebnisse. Jede Gruppe war darauf fixiert, in den Augen des Lehrers gut dazustehen, die Mitschüler waren unwichtig. Dementsprechend ließ die Motivation des Plenums rapide.
Ganz andere Erfahrungen machte ich, wenn ich in der Oberstufe die Gestaltung der Stunden vollständig den Schülern übertrug. Hier gelang des öfteren Teamteaching recht vorbildlich. Doch das hing immer wieder vom Zusammenspiel der Lehrgruppe mit der Gesamtgruppe zusammen. Ein “Lerne freiwillig und mit Begeisterung, was die Schule von dir zu lernen verlangt” war mit dieser Methode jedenfalls ebenfalls nur im Ausnahmefall zu erreichen.
Eigenverantwortliches Arbeiten anzuleiten gelang mir dagegen mit der von Heinz Klippert gelernten Methode des Gruppenpuzzles besser. (Dabei bereiten „Stammgruppen“ ein Thema vor und setzen sich dann in „Expertengruppen“ zusammen, in denen die Experten sich gegenseitig über das zuvor Erarbeitete berichten. Dabei gibt es methodische Varianten, die sich danach unterscheiden, welche Rolle der Arbeit mit der Gesamtgruppe zugemessen wird.)
Jeder Pädagoge vermisst in meinem Bericht bis jetzt den Projektunterricht.
Meine Erfahrung: Je größer das Projekt ist, desto mehr kommt es auf die Anpassung an die Gruppe und ihre Lernsituation an. Grundsätzlich ist es dabei leichter als bei Kursunterricht möglich, intrinsische Motivation zu wecken, aber im Rahmen eines stundenplangetakteten Unterrichts sind kann nicht gleichfalls in allen Fächern an größeren Projekten gearbeitet werden.
Was hat sich aus meiner Sicht bewährt?
Theaterstücke, Planspiele, die Erstellung von Büchern, Blogs, Wikiartikeln. Konkrete Projekte, die mir gefallen haben, sind z.B. im Deutschunterricht Klasse 5 – 7 Krabat, in der Oberstufe Romantische Schule. Gegenwärtig werbe ich für die Erstellung von „Miniwikipedias“ für das behandelte Fachgebiet mit Stichworterklärungen auf Schülerniveau. Ein Beispiel dafür entsteht gerade im ZUM-Wiki (zu finden unter Historische Stichworte). Theoretisch ließen sich so in großem Stil copyrightfreie Unterrichtsmaterialien (OER) durch Schüler erstellen. Im ZUM-Wiki finden sich dafür viele Ansätze. Weshalb bisher mit dieser Methode keine kompletten Lehrwerke entstehen, wäre zu diskutieren. Offenkundig ist es nicht einfach, sie zu erstellen, es ist aber vielleicht auch nicht sinnvoll. Zu von Lehrern erstellten offenen Bildungsinhalten verweise ich auf die laufenden Diskussionen.
Jetzt aber zu meinen Erfahrungen mit eigenem Lernen und Einzelunterricht…
Das Quadriga Funkkolleg habe ich in bester Erinnerung. Die Studienbriefe ließen sich wie Zeitung lesen, die Hausarbeiten wie Kreuzworträtsel lösen, beim Klausurenschreiben sah man, wer sonst dem Hobby frönte, und bei alledem wurde man über neuere Tendenzen auf Gebieten, die einen interessierten, durch informierte Überblicke auf dem Laufenden gehalten.
Das Internet bietet zwar auch manches. Aber beim Vergleich der Mathematik- und Linguistikvorlesungen (diese nur als Beispiel) im Netz schneiden die damaligen Begleitbriefe eindeutig besser ab. (Die Sendungen und Begleitbücher waren demgegenüber zweite Wahl.) Ich kann mir mathematische und linguistische Gedankengänge schriftlich besser nachvollziehen als über das Hören.
So verdienstvoll das Funkkolleg Medien, das ich gegenwärtig mitverfolge, ist, es ist nur zum Hören, und die schriftlichen Texte sind zu unübersichtlich. (Dazu, dass MOOCs auch Vorteile haben, weiter unten.)
- Lehrerfortbildung: die war sehr unterschiedlich. Am meisten störte viele Kollegen, wenn Vorwissen erkundet wurde und dabei der Eindruck entstand, dass die Kursleiter weniger davon verstanden als man selbst. Das ging mir nicht oft so.
Fachinformationen waren meist willkommen. Außer der Gelegenheit, Kollegen von der Universität wieder zu treffen, schätzte ich besonders den Kurs „Literatur 1992“, denn auf aktuellem Stand war meine Literaturkenntnis nur bei meinen Lieblingsschriftstellern. Thomas Bernhard und Ransmayr gehörten nicht dazu.
Die Erarbeitung von Unterrichtsprojekten habe ich als zweischneidig erlebt. Die auf ein Projekt ausgerichtete Arbeit des Lehrgangs war zunächst motivierend. Wenn man danach – wie meistens – feststellte, dass das Erarbeitete selbst mit großer Anpassungsanstrengung nicht für den eigenen Unterricht taugte, stellte sich trotz der wiederholten Erfahrung immer wieder eine kleine Enttäuschung ein. Doch es gab auch – sehr seltene – Ausnahmen.
Die Einführung in unvertraute Methoden erwies sich dagegen fast durchweg hilfreich. Ich nenne hier nur als Beispiel die Kurse von Heinz Klippert und Karl Johé.
Wikis: ein umfangreiches Thema. Vom passiven Gebrauch (Links, die ich auf meine Homepageseiten einband) kam ich bald dazu, Artikel zu schreiben. Daher fühle ich mich weiter als Wikipedianer und arbeite weiter als Administrator des ZUM-Wikis (Fontane44, dort Beispiele meiner Arbeit), auch wenn die Möglichkeiten der Mitarbeit in der Wikipedia für mich abnehmen. Faszinierend ist dabei, dass man Projekte aufgreifen kann, die als einzelner anzugehen man sich nicht trauen würde (und Projektarbeit ist , wie gesagt, lehrreich). Und wenn man Jahre darauf auf die Zugriffszahlen schaut, freut’s einen auch.
Projekte
Blogs
MOOCs u.ä.
Deutsch als Fremdsprache
Deutsch als Muttersprache
anderes
Beiträge zur Blogparade (mehr oder minder genau zum Thema Erfahrungen mit Lernen)
Des Lehrers zweites Kind
teacheridoo: Kooperative Lernformen – kann es überhaupt funktionieren? (Den Beitrag kommentiert man am besten bei teacheridoo. Die Kommentare findet jeder über den Link zum Artikel)
Von mir gesammelte Beiträge:
KH Pape: Über Zeit, Motivation, Verständnis – alles eine Frage der Erfahrung?
Lisa Rosa: Wichtig ist nur die Erstellung eines persönlichen Lernnetzes (Nach der Erstellung sind Lehrer Lehrer alten Typs überflüssig. Mehr dazu im Dialog von apanat und Lisa Rosa.)
Nach Downes haben Lehrende aber auch nach dem Konzept des Personal Learning Environment noch vielfältige Aufgaben. Diethild bittet im Rahmen von MOOC13 darum, genauer anzugeben, was wohl diese Aufgaben sind.
C. Spannagel: Erfahrungsbericht eines konnektivistischen Lerners über seine Mitwirkung am MOOCMakerCourse13 oder wie auch überzeugte Konnektivisten nicht jede Gelegenheit nutzen.
teacheridoo: Erfahrungen mit kooperativem Lernen (8.2.13)
Literatenmelu: Schule als “Beziehungsverhinderungsantalt“ oder „Schule im Aufbruch“ (10.02.2013) Zwar handelt es sich hier wieder einmal nicht um einen Erfahrungsbericht, sondern trotz der Filterung durch Literatenmelu um ein weitgehend unkritisches Lob von Montessori- und Freinet-Pädagogik sowie die Vorstellung eines Unterrichtsversuchs (mit Unterricht, der ausdrücklich auf die Übernahme von Verantwortung mit Lernen an Herausforderungen abstellt) und dem Lob von „Spaß“ als Motivationsgrundlage. Dennoch ist es ein wichtiger (nicht rein theoretischer) Beitrag zur Frage, wie man lehren sollte, damit selbst organisiertes Lernen gelingt.
Linguistic Engineering Team: Erprobung von „inverted classroom“ mit Grundschülern (8.2.13) (engl. Original) [zwar wieder unkritisches Selbstlob, aber hier interessanter als eine Hurratheorie es wäre]
C. Spannagel: Flipped Classroom nur ein Übergangsmodell? (15.12.12) bietet die kritische Reflexion zu inverted classroom (sehr stark “inputorientiert”) und systematischer Präsentation von Mathematik für Lehrer (von mir erst über den Beitrag „“inverted classroom“ mit Grundschülern“ entdeckt)
Daniel Bernsen: verallgemeinernder Kommentar zu C.Spannagel (überhaupt möchte ich die Diskussion zu Spannagels Beitrag als Beispiel für gemeinsame kritische Betrachtung von Erfahrungen werten)
(wird ausgebaut/fortgesetzt)