Nach den Schriften des jungen Luther, in denen er den Ausschluss von Juden aus den meisten Berufen kritisierte, der sie in Richtung Krämer und Geldwechsler drängte*, ist bei ihm spätestens seit 1537 eine solch verschärfte Polemik gegen Juden zu beachten, dass verständlich wird, weshalb die Nationalsozialisten zur Rechtfertigung ihres Antisemitismus gegenüber protestantischen Kreisen gern auf Luthers wüste Schriften gegen die Juden (nicht rassistisch-antisemitische, sondern religionspolemische antijudaistische) zurückgriffen.
Seit der pietistischen Kritik durch Spener waren diese Schriften kaum noch ediert und so gut wie ganz aus der theologischen Diskussion verbannt worden. Das führte dazu, dass viele protestantische Theologen diese Schriften nicht kannten oder doch zumindest sich nicht mit ihnen auseinandersetzten.
Heute fürchtet man weniger, dass die Autorität Luthers dazu verführen könnte, ihm in seinen antijüdischen Thesen zu folgen, und legt größeren Wert darauf, ein unverfälschtes Bild Luthers zu überliefern und dementsprechend seine menschenverachtenden Polemiken heranzuziehen, um deutlich zu machen, wie sehr er in seinen späteren Lebensjahren Intoleranz gefördert hat.
Der Wikipediaartikel Luther und die Juden stellt die Entwicklung recht anschaulich dar.
* „Viele Juden begrüßten Luthers Schrift von 1523 als Sensation: Zum ersten Mal seit über 1000 Jahren eröffnete ihnen ein einflussreicher christlicher Theologe die Aussicht, sie menschlich, gewaltlos, als gleichberechtigte Gesprächspartner in der gemeinsamen Bibelauslegung zu behandeln und auch ihre Rechtslage zu verbessern. Darum schickten holländische Juden Luthers Schrift als Hoffnungszeichen an die verfolgten Juden Spaniens.“ (Seite „Martin Luther und die Juden“. In: Wikipedia, Die freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand: 10. Juni 2014, 19:14 UTC. URL: http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Martin_Luther_und_die_Juden&oldid=131195549 (Abgerufen: 5. Oktober 2014, 21:53 UTC))
Ausstellung der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau zu diesem Thema
Aufsatzsammlung: Die Schattenseiten des Reformators
Veranstaltungen: Bensheim, Frankfurt