„Dass ich erkenne, was die Welt im Innersten zusammenhält, schau alle Wirkungskraft und Samen und tu nicht mehr in Worten kramen.“
„Du gleichst dem Geist, den du begreifst, nicht mir.“
„Ich Ebenbild der Gottheit“
Mit diesen Worten hat Goethe im Faust Glanz und Elend der Philosophie beschrieben:
Die Wesensschau, die Einsicht in die tiefsten Beweggründe des Lebens und der Welt. Nicht nur die Oberfläche, sondern die Sicht auf den Wesenskern, die Wahrheit. Das ist es, was die Philosophen erstreben.
Was sie erreichen, sind Teileinsichten oder Systeme. Systeme, denen man anmerkt, dass sie das, was wir als Fülle des Lebens in all seinen Widersprüchen erfahren, zwar ordnen, aber nie ganz erfassen können.
Wer statt dessen seine Zuflucht bei den Wissenschaften sucht, wird das Ziel Einsicht in die innersten Beweggünde von Leben und Welt ganz gewiss nicht erreichen. Zu deutlich ist, dass alle wissenschaftliche Erkenntnis vorläufig ist und dass Wissenschaft, die am Ziel angekommen zu sein wähnt, nur in einer Phase der Stagnation verweilt.
Weshalb nun das Elend der Philosophie?
Schon Plato hat erkannt und im Höhlengleichnis eindrücklich veranschaulicht, dass die Menschen aufgrund ihrer Beschränkung die eigentliche Wirklichkeit nicht erkennen können. Kant hat das mit seinem Blick auf Anschauungsformen (Raum und Zeit) und Kategorien (u.a. Ursache und Wirkung), die die Voraussetzungen menschlicher Erfahrung sind, präzisiert. Die moderne Hirnforschung analysiert immer mehr ins Einzelne gehend, wie der Apparat, mit dem wir Welt in uns aufnehmen, viel wichtiger für den Eindruck ist, den wir erhalten, als die Außenwelt selbst.
Dass man sich dazu bringen kann, eine Gummihand als seine eigene zu erleben, und dann auch die Berührungen an dieser Hand als Berührungen seiner selbst zu erleben. Dass man Schmerzen an Körperteilen haben kann, die gar nicht mehr existieren. Dass man das Gefühl, was zu seinem Körper gehört, ganz verlieren kann. All das beschreibt schmerzlich, wie wenig unsere Erfahrungen mit der Wirklichkeit, genau genommen: mit der menschlichen Wirklichkeit, zu tun zu haben brauchen.
Aber tiefer als zu der Erkenntnis, dass unser Gehirn und dass unsere spezielle Position in der Raumzeit unsere Erkenntnis unendlich beschränken, kann uns Wissenschaft nicht führen. Wir bleiben also auf die Erkenntnis der Welt für uns beschränkt. Und doch, was für ungeahnte Erkenntnisse können uns dabei zuteil werden. Die Fähigkeit, Schmerz völlig zu überwinden. Das Erlebnis, große Kunst schaffen zu können, selbst unter den Bedingungen äußerster Erniedrigung im Konzentrationslager. Das gibt es.
Wozu nun aber Philosophie?
Wir bleiben in unserer Welt „gefangen“. Aber immer wieder haben einzelne etwas von dem, was zu unserem Leben gehört, genauer betrachtet, eindrücklich beschrieben.
Wie konnte es gelingen, dass uns bewusst wird, dass das Unbewusste uns steuert? Wie, dass wir das Unvorstellbare selbstverständlich in unsere Lebenswelt aufnehmen? Unendlichkeiten verschiedener Größenordnungen; Räume mit mehr als drei Dimensionen; imaginäre Zahlen, die Rechenergebnisse zulassen, die von der Definition der Rechenoperationen an sich ausgeschlossen sind (minus mal minus gibt plus; plus mal plus gibt plus und doch Wurzel aus -1).
Wir wissen, dass wir nicht „Gottes Ebenbild“ sind. Schon deshalb, weil wir wissen, dass „Gott“ nicht von dieser Welt ist. Die Zeiten „da ihr noch die schöne Welt regiertet„, sind vorbei. Und doch, welches Glücksgefühl, wenn man etwas tiefer verstanden zu haben glaubt.