Posts Tagged ‘Merkel’

Dolchstoßlegende 2011

27. Oktober 2011

„Die Deutsche Bank, ein Leuchtturm der Finanzwirtschaft, war stets erfolgreich. Nur der Staat reguliert zuviel, deshalb läuft die Wirtschaft nicht wie sie soll.“

Das ist die Legende.

Meine Wahrnehmung:

Als 2008 die Finanzkrise auch den deutschen Banken bewusst wurde, kam Josef Ackermann zur Kanzlerin und sagte: „Ihr müsst uns retten, sonst bricht alles zusammen!“ (So wie Ludendorff  Ende September 1918 zur Reichsregierung kam und sofortige Waffenstillstandsverhandlungen forderte. Die Front könne jeden Tag zusammenbrechen.)

Die Kanzlerin, bisher noch nicht als Bankerin ausgewiesen, fragte: „Wie sollen wir das tun?“ Ackermann erklärte es ihr. Vor allem muss das Vertrauen in die Banken wiederhergestellt werden, und die Banken brauchen billiges Geld, damit keine Kreditknappheit eintritt.

Nach außen teilt er mit: „Die Deutsche Bank hat keine Probleme.“ (So wie Ludendorff, als er erfuhr, dass die Alliierten bei den Verhandlungen davon –  zu recht – ausgingen, dass sie dabei seien zu siegen, und deshalb äußerste Zugeständnisse forderten, für den sofortigen Abbruch der Verhandlungen eintrat und äußersten Widerstand forderte.)

Die Devisenspekulanten sahen jetzt die Chance auf einen Zusammenbruch des Staatshaushalts Griechenlands zu spekulieren, weil die übrigen Eurostaaten bei der Bankenrettung so hohe Risiken aufgehäuft hatten, dass sie keine Lust haben würden, jetzt auch noch Griechenland zu helfen. Als die Zinsen griechischer Staatsanleihen daher enorm stiegen, kaufte man fürs laufende Geschäft die Anleihen, weil sie viel mehr Zinsen brachten, als die Banken der Bundesbank zahlen müssen. Devise: „Im Zweifelsfall holt uns Angela schon raus. Der Josef wird es ihr wieder klar machen.“ (Inzwischen hat die Deutsche Bank Zeit gefunden, ihre Griechenlandanleihen wertzuberichtigen.)

Was tut Angela? Natürlich so, als ob die Banken nach ihrer Pfeife tanzten. Und Josef Ackermann sagt: „Die Deutsche Bank macht keine Fehler. Und die Bundesregierung ist besser als ihr Ruf: Zwar manchmal macht sie Fehler, aber am Ende macht sie doch das, was sie soll.“

Dem Diktat der Finanzindustrie zu folgen ist aber keine Politik. Und was für die Kapitalrendite der Deutschen Bank gut ist, ist noch lange nicht gut für die europäische Wirtschaft, noch nicht einmal für die deutsche.

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Wer trägt das Risiko?

30. August 2011

Dirk Baecker schreibt in der Frankfurter Rundschau vom 29.8.11:

„Die Finanzmärkte steuern sich, indem sie komplexe Entwicklungen einfach als Risiken klassifizieren.“
Und fordert:
„Da die Risiken der Wirtschaft in der Wirtschaft produziert werden, müssen sie auch dort getragen werden. Dazu braucht man die Politik: Sie muss verhindern, dass die Risiken auf die Politik abgewälzt werden.“

Die Akteure an den Finanzmärkten schaffen enorme Risiken und versuchen sie abzuwälzen.  Da hat Baecker recht. Das Problem ist:  Wenn die Risiken sich kumulieren, werden die einzelnen Akteure zu schwach, sie zu tragen. Und unter Umständen kommt „die Politik“ nicht umhin, nachträglich einzugreifen.

Was sie tun müsste, wäre:

1. Finanzoperationen, die zu unüberschaubarer Kumulation von Risiken führen, verbieten.

2. Die Finanzinstitute zu einer institutionellen kollektiven  Absicherung der Risiken zwingen.

3. Wenn beides nicht geholfen hat, die betreffenden Institute verstaatlichen.

Dass das nicht geschehen ist, dafür sind nicht einzelne Politiker allein schuldig, daran ist auch nicht das kapitalistische System als solches schuldig, sondern die über Jahrzehnte hin von Politikern aufgebaute Konstellation, in der sie ihre Handlungsmöglichkeiten enorm eingeschränkt haben (Stichwort Deregulierung).

Das heißt freilich nicht, dass Merkel und Sarkozy ihren verbleibenden Handlungsspielraum zu einem mir erkennbaren Zeitpunkt irgendwie sinnvoll genutzt hätten.

Angela Merkel

16. November 2010

In meinen Augen steht sie für die falsche Politik und hat mit dem Ausstieg aus dem Atomausstieg eine verhängnisvolle Fehlentscheidung getroffen. (Ob sie langfristig verhängnisvoll ist, entscheidet sich zum einen daran, wie rasch sie korrigiert wird, zum anderen daran, ob die Katastrophe schon vor dem ursprünglich geplanten Ausstieg eintritt.)
Freilich stand auch Bismarck in meinen Augen für die falsche Politik, und seine Entscheidung für den Obrigkeitsstaat und die Herbeiführung der Reichseinigung durch Kriege war m.E. auch verhängnisvoll. (Man merkt, ich suche die Vergleiche nicht bei Koch, Seehofer oder Westerwelle.)
Freilich, Bismarck war von seinem Herkommen so konservativ bis reaktionär, dass er noch mehr Revolutionär hätte sein müssen, als er ohnehin schon war, um eine wesentlich andere Politik zu betreiben.
Dagegen Angela Merkel hätte als Physikerin und ehemalige Umweltministerin sehen müssen, dass der Atomausstieg der umweltpolitisch beste Kompromiss war, der zu haben war. (Natürlich hätte er früher liegen müssen. Pragmatisch gesehen war er offenbar vorher nicht möglich.)
Sie hat also sehenden Auges für einen taktischen Vorteil – Geld in die Kasse – eine grundlegend falsche Strategie eingeschlagen.

Aber trifft die Kritik, die an ihrem ersten Regierungsjahr mit der schwarz-gelben Regierung geübt worden ist?
Natürlich hätte sie sich Zeit nehmen und einen sauberen Koalitionsvertrag aushandeln müssen. Besser als das Chaos von 2009/10 wäre eine Wiederholung des Zusammengehens mit der SPD für das Regierungshandeln gewiss gewesen.
Aber als Taktikerin hat sie wieder brilliert. So wie sie Stoiber den Vortritt ließ, als der Wahlerfolg nur scheinbar sicher war, hat sie jetzt die Kampfhähne Westerwelle und Seehofer sich völlig demontieren lassen und kann auf fähigere Nachwuchskräfte in FDP und CSU warten. (Wir wissen, was sich abzeichnet, bzw. nicht abzeichnet.)

Ein Politiker vom Rang eines Bismarck hätte zumindest den ernsthaften Versuch gemacht, in den G20 einen Kompromiss auszuhandeln, indem er den Gegensatz USA – China nicht in eine fruchtlose Konfrontation, sondern in Richtung auf eine Koexistenz oder gar kurzfristige Kooperation gelenkt hätte.

Als Taktikerin brilliant, fähig mit Talenten zusammenzuarbeiten. Bei der Bekämpfung der Finanzkrise merkte man ihr nichts mehr von ihrer brutto-netto-Verwechslung an.
Als Strategin aber ist sie, die ohne feste ideologische Prägungen in das Politikgeschäft eingestiegen ist, ein Versager.
Sie kann Kanzlerin und hat außenpolitisch eine weit überzeugendere Leistung abgeliefert als Magaret Thatcher mit ihrer engen nationalen Interessenpolitik und dem Falklandkrieg. Die Position einer „Staatsfrau“ aber bleibt in Deutschland weiterhin offen.

Kleine Umschau

20. Mai 2010

Anti-Amerikanismus: Dieselben Leute, die vorher davon gesprochen haben, geißeln jetzt die Obamania. Die Anhänger, die Obama zur Macht gebracht haben, sind jetzt von ihm enttäuscht.
Dabei dürfte doch klar sein: Wer und was in Deutschland abgelehnt wurde, das waren George W. Bush und sein Kurs des Alleingangs der USA ohne Rücksichtnahme auf die Notwendigkeiten internationaler Zusammenarbeit.
Die Aufgabe, die Obama vor sich sah, war eine ungeheure. Unmöglich, dass er sich überall hätte durchsetzen können. Inhaltlich kann man mit vielen Entscheidungen, die er trifft, unzufrieden sein. Aber es gelingt ihm gegen starke Gegenwehr auch in den Reihen, wieder mehr Handlungsalternativen zu öffnen. Eine Grundvoraussetzung für Politik.

Im Vergleich dazu die Situation Angela Merkels: War von Anfang an klar, gegen welche Widerstände Obama anzukämpfen haben würde, so sah für sie das Bild sehr viel rosiger aus. Und wenn man das Geschick beobachtet hatte, wie sie von einem unsozialen Wahlpogramm aus bei der Zusammenarbeit mit dem innenpolitischen Hauptgegner gegen den Widerstand in den eigenen Reihen stets handlungsfähig blieb und außenpolitisch im Sturm breite Anerkennung eroberte, legte es sich nahe, dass sie mit ihrem „Wunschpartner“ in für sie leichtere Fahrwasser steuern könnte. Doch die ungewöhnliche Zerstörung des Außenministerbonus durch das begabte Polittalent Westerwelle belehrte einen etwas Besseren. Für so unfähig, politische Notwendigkeiten zu erkennen, hätte man Westerwelle nicht gehalten.

Gegenwärtig kann man ihr nur wünschen, dass sie die Fallstricke, die ihr innerparteilich und international auf dem Wege zu einer besseren Kontrolle der Finanzmärkte gelegt sind, überwindet. Auch wenn man ihre politische Richtung ablehnt.

Gegenwärtig ist Obama ihr schon einen Schritt voraus, obwohl er ein ganes Jahr brauchte, seine Vorstellungen – weitgehend – durchzusetzen.

Rothemden: Bald wurde deutlich, die Mittlerrolle der Monarchie ist in Thailand verlorengegangen, allen Lobreden auf die sozial eingestellte, populäre Königstochter zum Trotz. Sonst bleibt – ohne genauere Analyse – das Kräftespiel in diesem uns so fern liegenden Land undurchschaubar.

Rot-rot-grün: Ähnlichkeit und Unterschiede zur hessischen Situation liegen auf der Hand. Es bleibt die Frage: Durchschaut Kraft die Personenkonstellation besser als Ypsilanti? Ich hoffe es, weil zu der gegenwärtigen Bundesregierung eine Alternative sichtbar werden muss, wenn der Weg aus Finanz- und Umweltkrise nicht noch weiter verbaut werden soll.

Guttenberg und Wörner

15. Dezember 2009

Guttenbergs Entlassungsbegründung für Schneiderhan wird inzwischen mit Wörners Entlassungsbegründung für Kießling verglichen.
Wörner war danach als Minister ein Sicherheitsrisiko für Kanzler Kohl geworden, fiel die Karriereleiter hinauf und wurde NATO-Generalsekretär. Leider sitzt jetzt schon Oettinger auf der Brüsseler Stelle für Spitzenpolitiker, die ihren Parteigenossen in Deutschland nicht gut tun. Fürs Altenteil ist zu Guttenberg auch etwas jung. Es scheint keine elegante Lösung für Merkel zu geben.
Oder doch? Sie wird an Koch denken und daran, wie viel ihm damals das „Bauernopfer“ Jung gebracht hat. Wenn zu Guttenberg die Affäre erfolgreich aussitzt, dürfte Franz Josef Jung nach seinem Rekord als Bundesminister mit der kürzesten Amtzeit (30 Tage Arbeitsminister) auch die Trophäe als rettendstes Bauernopfer der Geschichte der Bundesrepublik so leicht nicht zu nehmen sein.

Regierungserklärung: Weg ins Verderben

11. November 2009

Angela Merkel kündigt in ihrer Regierungserklärung an, dass ihr Wachstum das Wichtigste sein werde.
Damit macht sie deutlich, dass sie in treuer Nachfolge von George W. Bush Wirtschaftswachstum über Maßnahmen gegen den Klimawandel stellt, dass also all ihre Beteuerungen auf diesem Gebiet nicht ernstzunehmen sind.
Das ist eine noch schlimmere Botschaft als die, dass sie zugunsten der FDP-Klientel die Steuerzahler weiter verschulden will, statt mehr für alternative Energien und Bildung zu tun.
Die „schonungslose Analyse der Lage unseres Landes“ kann sie haben. Mit ihrer bornierten Fixierung auf Wachstum von Umweltzerstörung führt sie uns auf den Weg ins Verderben.
So wenig für heute. Abwesenheiten und dringliche Erledigungen hindern mich gegenwärtig am Bloggen. Was noch hinzuzufügen wäre, habe ich ohnehin immer wieder gesagt, u.a. auch hier.

Erst Norwegen, dann Deutschland, dann EKD

28. Oktober 2009

Die Evangelische Kirche in Deutschland zieht nach. Erstmalig steht eine Frau an ihrer Spitze. Ich gestehe, dass mir Margot Käßmann sympathischer ist als Angela Merkel. Beide sind um ihren Job nicht zu beneiden. Margot Käßmann, weil sie nicht nur in der orthodoxen Kirche mit Patriarchen zu tun haben wird, die mit einer Frau in einem kirchlichen Spitzenamt ihre Schwierigkeiten haben werden. Angela Merkel, weil sie beharrlich so tun muss, als ob es ihr recht wäre, dass sie aberwitzige Steuersenkungen für die FDP-Klientel gegen die Landesfürsten der christlichen Union und entgegen ihrer eigenen Einsicht zu verteidigen hat.
Zum Glück hat sie ja Schäuble, der seinen eigenen Umgang mit Geld hat, nicht nur mit den berüchtigten 100 000 DM.

Zensurursula – vom Wandel meines Urteils

7. Juni 2009

Die Erfahrungen mit Phishing zeigen, dass das Löschen illegaler Inhalte unabhängig vom Serverstandort im Schnitt binnen vier Stunden möglich ist. Voraussetzung dafür ist, dass
* man von der Existenz der Inhalte weiß,
* die Entdecker der Inhalten wissen, wie und an wen sie ihr Wissen kommunizieren müssen,
* es bei den Hosting-Providern eingeübte Takedown-Verfahren gibt und
* ein rechtlicher und institutioneller Rahmen gegeben ist, der den Handelnden ein effektives Tun ermöglicht.

So der Hinweis eines Spezialisten. Danach weist er darauf hin, dass es bei Kinderpornographie diesen institutionellen Rahmen nicht gebe und dass er nur dadurch entstehen könne, dass ohne staatliche und polizeiliche Mitwirkung gehandelt werde.
Ob das so ist, kann ich nicht beurteilen.
Die Überlegung, dass Verbrecher nur unter besonderen Umständen bereit sind, mit der Polizei zusammenzuarbeiten, erscheint mir aber überzeugend.
Heißt das, dass Verbrechensbekämpfung im Internet nur noch durch Privatpersonen möglich ist? (In der ZEIT vom 28.5.09 wurde das Internet als weitgehend rechtsfreier Raum gesehen. )Das hieße, dass es eine Internetmafia gibt, der schnellstens das Handwerk gelegt werden muss. Notfalls durch Totalzensur des Internet.
Die Einhaltung der Menschenrechte darf nicht vom Wohlwollen von Privatpersonen abhängig sein.
Dabei bleibe ich, auch wenn die neusten Nachrichten darauf hindeuten, dass der Gesetzentwurf nicht durchdacht und völlig unzureichend vorbereitet war. (Einschub vom 15.6.09)

Dass die Menschenrechte in Staaten auch nicht in besten Händen sind, mir freilich bekannt. Amnesty international hat da eine schwere Aufgabe. Für mich ist das aber kein Grund, die Staatsgewalt statt demokratisch legitimierten Institutionen Privatleuten zu übergeben.
Wohin es führt, wenn die Staatengemeinschaft kollektiv auf die Kontrolle von Privatunternehmen verzichtet, hat mir die Finanzkrise mit den katastrophalen des daraus resultierenden staatlichen Handelns gezeigt.

Nachtrag vom 12.6.:
Die Bundesregierung scheint allerdings vor der Entscheidung für Stoppschilder vor CP-Seiten erstaunlich wenig getan zu haben. Zwar glaube ich weiterhin nicht an Verschwörung, aber auch nicht mehr an solide Arbeit.

Nachtrag vom 14.6.:
Ich warte noch etwas ab. Wenn aber die SPD-Forderungen berechtigt sind und entsprechende Maßnahmen nicht von vornherein vorgesehen waren, dann bleibt mir nur die Auswahl zwischen Verschwörungstheorie oder Dummheit bei den für die Sperrregelung verantwortlichen Gesetzesmachern. Beides möchte man ungern unterstellen …

Nachtrag vom 15.6.:
Dass jetzt der Datenschutzbeauftragte die Expertenkommission zur Bestimmung der kinderpornographischen Seiten berufen soll, seinerseits aber gar nicht darauf angesprochen worden war (Bericht von heise online), macht die Initiative der Bundesregierung ganz fragwürdig. Offenbar ist mit sehr heißer Nadel gestrickt worden in der Hoffnung, dass das Stichwort Kinderpornographie schon alle Bedenken ausräumen werde. So leid es mir tut, jetzt bleibt mir zum Verständnis des Vorgangs nur noch die oben genannte Alternative.
Nachtrag vom 20.6.
Inzwischen ist das Gesetz im Bundestag beschlossen worden. Die Opposition stimmte dagegen, Kritik kam auch vom hessischen SPD-Vorsitzenden Thorsten Schäfer-Gümbel, es gab 18 Enthaltungen.
Der Datenschutzbeauftragte Peter Schaar kritisierte: „Da wurde mit sehr heißer Nadel gestrickt.“ Diesem Urteil folge ich inzwischen eindeutig. Ob aber wirklich genügend Löschungen hätten durchgesetzt werden können, dass das Gesetz überflüssig geworden wäre, kann ich nicht beurteilen.
Nur scheint mir inzwischen klar, dass es nicht genügend versucht wurde.
Nachtrag vom 23.6.:
Stellvertretend für viele Kommentare des Gesetzesbeschlusses setze ich hierher den Link zur Stellungnahme auf dem Wikimedia Blog. Dort findet sich auch ein Link zum Inhalt und einer zum Wortlaut des Gesetzes sowie Links zu Stellungnahmen von Kritikern des Gesetzes.
Nachtrag vom 11.8.09
Neuerdings hat sich Angela Merkel zum Thema geäußert.

Ende der Nachkriegszeit: Ökodividende?

26. März 2009

Das Nachkriegszeitalter endete politisch mit dem Fall der Berliner Mauer 1989, sozioökonomisch endet es mit dem gegenwärtigen Crash.

So Hans Joachim Schellnhuber in der ZEIT vom 26.3.09 auf S. 18
Er kann die bekannten Katastrophenszenarien bestätigen, freilich zeigt er auf, dass die Katastrophe sich schneller nähert als meist angenommen. Aber er sieht auch ein enormes Potential zur Überwindung der kommenden Rezession, wenn die Wirtschaft sich auf erhöhte Energieeffizienz, Elektromobilität, intelligente Netze zur Integration verteilter erneuerbarer Energiequellen konzentriert.

Transformationsprozesse dieser Größenordnung haben enorme Selbstbeschleunigungspotenziale, wie sie etwa durch die Industrielle Revolution im vorletzten Jahrhundert mobilisiert wurden. Auch damals gab es natürlich immense ökonomische Verwerfungen, aber eben auch einen ganz großen Aufbruch. Viele Millionen grüner
Arbeitsplätze können durch den Übergang zum Nachhaltigkeitszeitalter entstehen.

Das wussten er und andere schon länger. Bisher ist es den führenden Managern aber immer gelungen, in der öffentlichen Meinung das Gegenteil als ökonomische Wahrheit zu verkünden. Da sollte es helfen, dass sie völlig an Glaubwürdigkeit verloren haben.
Noch merkt man Angela Merkels Taten nicht an, dass Schellnhuber sie berät. Aber es gibt doch Hoffnung, dass er es tut. (Trotzdem unterstützt sie weiter den Ausstieg aus dem Atomausstieg. Und das, obwohl klar ist, dass gegenwärtig Atomstrom das beste Mittel ist, die Einsicht in die Notwendigkeit intelligenter Energieverteilungsnetze zu verhindern.)
Die Interessen der Energiekonzerne sind damit eindeutig gegen nachhaltige Energie gerichtet, und sie sprechen es auch klar aus.
Das Interesse der Weltgemeinschaft hat aber auch Anwälte. Obama scheint einer zu sein. Angela Merkel könnte es noch werden.

Spekulantin Merkel

5. Dezember 2008

Merkel folgt George W. Bushs Spuren. Wenn die anderen etwas für den Klimaschutz tun, habe ich einen nationalen Wettbewerbsvorteil, wenn ich es nicht tue.
Wenn schon ihr Selbstrespekt sie nicht davon abhält (eine kluge Frau sollte keinem dummen Mann nacheifern), so sollte sie doch die politischen Folgen bedenken. Bush hat seine Nation herabgewirtschaftet und seine Partei auch.
Vor allem aber sollte ihre Verantwortung als Mensch sie vor solch chauvinistischem Spekulantentum bewahren. Darf sie wirklich für vier Jahre – gefühltem – Wettbewerbsvorteil der Menschheit Billionen von Euro als Folgekosten aufladen?
Wenn man dann noch bedenkt, dass Umweltschutzmaßnahmen das beste Konjunkturförderungsprogramm werden könnten, dann kann man der Hasardeurin bescheinigen, dass der Einfall, Deutsch als die Sprache der Deutschen zu entdecken, demgegenüber geradezu ein Geniestreich ist.
Ärgerlich, dass die Kommentatoren sich an solcher Lappalie abarbeiten und die unverantwortliche Entscheidung der „Klimakanzlerin“, die Zukunft der Menschheit einem vorgeblichen nationalen Vorteil zu opfern, nicht deutlicher kritisieren.

Nachtrag:
Inzwischen melden sich doch etwas mehr Kritiker zu Wort. Während von Heusinger freilich nur das Konjunkturprogramm vermisst, erinnert Klaus Töpfer zu Recht daran, dass für den Fall ausbleibender Umweltschutzmaßnahmen der weltweite Rückgang des Bruttosozialprodukts vom ehemaligen Weltbank-Chefökonomen Nicholas Stern 2006 auf 20% berechnet wurde. (vgl. Stern-Report)
Und in den USA ist man auch nicht glücklich, dass Merkel die Bush-Nachfolge antreten will.